Dienstag, 13. Januar 2009

OGH zur Löschung von Bonitätsdaten

Das Jahr 2008 ist datenschutzrechtlich noch turbulent ausgeklungen: An den Oberlandesgerichten Linz und Wien wurden im Herbst Entscheidungen zur Frage der Löschung von Bonitätsdaten in einer leider sehr oberflächlichen Art gefällt. Da mir zu Ohren kam, dass diese Entscheidungen zur Revision beim Obersten Gerichtshof lagen, habe ich in Windeseile einen Artikel im "ecolex" veröffentlicht (online unter www.preslmayr.at/datenschutz.php - Bereich Banken), in dem ich aufzeigte, dass die Oberlandesgerichte sich im Arsenal des Datenschutzgesetzes vergriffen haben, in dem Sie urteilten, dass nach § 28 Abs 2 DSG 2000 jedermann bei einer Wirtschaftsauskunftei seine Bonitätsdaten löschen lassen könne, ohne dass es dabei zu einer Interessensabwägung komme. Die von den Oberlandesgerichten herangezogene Bestimmung des § 28 Abs 2 DSG 2000 ist mE auf einfache Register und Verzeichnisse zu reduzieren und nicht auf Wirtschaftsauskunfteien anwendbar, andernfalls stünde diese Bestimmung dem Grundrecht auf Datenschutz entgegen. Überdies habe ich angeregt, diese Bestimmung in einem Vorlageverfahren an den Europäischen Gerichtshof auf Richtlinienkonformität prüfen zu lassen.

Die inhaltliche Argumentation wurde von den Oberlandesgerichten nicht mit den feinen Klingen des Datenschutzrechtes ausgefochten, sondern mit Wild-West - Totschussargumenten: So meinten die OLGs etwa, dass die Wirtschaftsauskunfteien deswegen öffentlich zugänglich Datenbanken seien, weil auch Verhandlungen vor dem Zivil- oder Strafgericht "öffentlich" zugänglich seien, "auch wenn diese für bewaffnete Zuhörer nicht offen stehen". Dass derartige Hüftschüsse einen Datenschutzrechtler ins Herz treffen, werden sie verstehen. Dass die OLGs mit ihren Entscheidungen ganz nebenbei - obwohl Waffen im Gerichtssaal nicht erlaubt sind - eine ganze Branche "abschießen" und sich die gesamte österreichische Wirtschaft nun fragen muss, wie künftig Geschäfte mit Kunden abgeschlossen werden sollen (insbesondere wenn der Kunde erst nachträglich für die Ware oder Dienstleistung bezahlt), wenn über diese keinerlei Bonitätsinformationen vorliegen, sei hier nur am Rande als wirtschaftliches Thema erwähnt. Von Obergerichten hätte ich mir eine differenziertere und nachvollziehbarere Abwägung der verschiedenen Interessen und Argumente erwartet anstatt einen solchen Hüftschuss.

Auch dem Oberste Gerichtshof saß der Colt leider sehr locker und er dürfte nicht mehr die Zeit gehabt haben, meinen Artikel zu lesen. In seiner ersten Entscheidung 6 Ob 195/08g (noch nicht veröffentlicht) hat er vollinhaltlich aus dem selben Rohr wie das Oberlandesgericht Wien geschossen, siehe http://www.heise.de/newsticker/Oesterreichs-OGH-bestaetigt-Anspruch-auf-Loeschung-von-Bonitaetsdaten--/meldung/120296. Die rechtliche Argumentation des OGH in diesem Urteil ist gerade einmal fünf Maschinschreibseiten lang.

Angeblich stehen noch zwei weitere Entscheidungen beim OGH zum selben Thema an. Es bleibt zu hoffen, dass der OGH den rauchenden Colt zur Seite legt und die Interessen zwischen Konsumenten und Wirtschaft mit einer feineren Klinge ausficht.

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